
Postkarten
1. Postkarte – Computerkurse
2. Postkarte – Computerkurse 2
3. Postkarte
4. Postkarte – gegen Zwangsheirat
Titel: Bis dass der Tod uns scheidet.
5. Postkarte – für Bildung und Kultur
Titel: MaDonnen
6. Postkarte
Titel: Visit Neukölln
7. Postkarte – gegen Zwangsheirat
Titel: die tote Braut
8. Postkarte – gegen Zwangsheirat
Titel: Ehre ist
Postkartenaktion „Ehre ist für die Freiheit meiner Schwester zu kämpfen!“
Nach der Ermordung von Hatun Sürücü in Berlin im Februar 2005 – vermutlich durch ihre Brüder – entstand diese Postkarte: „Ehre ist für die Freiheit meiner Schwester zu kämpfen“.
Der Mord hat eine Stimmung unter MigrantInnen an die Öffentlichkeit gebracht, wie sie von Jugendlichen der zweiten und dritten Generation sein langem erlebt und praktiziert wird. Viele Jugendliche aus Problemkiezen wie dem Rollbergviertel identifizieren sich freiwillig oder notgedrungen mit dem Ziel ihrer Eltern: „Werdet nicht wie die Deutschen!“ Im Kern geht es bei dieser Ablehnung der westlichen Lebensweise um die Geschlechterrollen, die sexuelle Selbstbestimmung und die Freiheiten, die Mädchen und Jungen gleichberechtigt wahrnehmen können.
Mit einer- sich im Rollbergviertel ausbreitenden- populistisch- fundamentalistischen Interpretation des Islam und der rigiden Auslegung der Scharia ist es Kindern und Jugendlichen nicht mehr möglich in dieser Gesellschaft anzukommen und ihre Vorzüge und Chancen für sich zu realisieren.
Wie weit Jugendlcihe sich westlichen demokratischen Werten öffnen, ist sehr unterschiedlich. Neben der zu beobachtenden ideologischen Verhärtung und Abgrenzung gibt es immer auch Jugendliche, die sich von zumindest innerlich von diesen Denk- und Handlungsmustern distanzieren: Jugendliche mit Migrationshintergrund, die nicht gewalttätig sind und deshalb kaum auffallen, Jugendliche, die die westlichen Freiheiten nutzen wollen, ohne zu wissen, wie sie das unter der harten Kontrolle der eigenen Community machen sollen, Jugendliche, die sich vielleicht in Schulklassen und Cliquen oder in ihren Familien nicht offen zu äußern wagen, weil es überall an Rückhalt mangelt und sie ihr Recht auf ein selbst bestimmtes Leben nicht wahrnehmen können.
Auch die Jugendarbeit und Gewaltprävention richtet sich oft an die Gruppe der Gewalt auffälligen Jungen und spart Genderfragen aus. An der Integration interessierte Jungen, die nicht dem Bild des Frauenverachtenden, gewaltbereiten Jugendlichen entsprechen wollen, fanden damit vergleichsweise weniger Unterstützung.
Die Ermordung von Hatun Sürücü war für die Mädchen und Jungen im MaDonna- Mädchentreff ein Schock. Viele Gespräche über Freiheit, Ehre, Partnerschaft und Geschlechterrollen folgten.
Für alle Beteiligten war bald zweierlei klar: 1. Wir wollen etwas unternehmen, gegen die Unterdrückung der Mädchen, gegen das Morden. 2. Wir werden nur Erfolg haben, wenn längerfristig auch Jungen (bzw. Männer), nämlich die, die die westliche Selbstbestimmung leben wollen, zur öffentlichen Unterstützung gewonnen werden. Denn den Jungen wird in vielen Migrantenfamilien eine gewalttätige Rolle als „Aufpasser ihrer Schwestern“ aufgebürdet; sie brauchen Anregung und Unterstützung, sich davon zu befreien.
Nachdem unsere Postkarten gegen Zwangsheirat im Jahre 2004 so erfolgreich waren, lag der Gedanke nahe, wieder eine Postkartenaktion zu beginnen.
Funda Biter (21) und Cigdem Kasanci (20) übernahmen die Koordination und gewannen in vielen Diskussionen über das Vorgehen die vier Jugendlichen dazu, sich öffentlich zu zeigen.
Das schwedische Projekt Sharaf Hjältar, das nach einem Ehrenmord in Schweden an die Öffentlichkeit trat, lieferte die Inspiration. Deren Motto „Mut ist für die Freiheit meiner Schwester zu kämpfen“ wurde für die Berliner Verhältnisse verändert zu „Ehre ist für die Freiheit meiner Schwester zu kämpfen“, denn das Verständnis von Ehre wurde nach dem Mord an Hatün Sürücü von vielen Jugendlichen diskutiert.
Mehrere Fotosessions folgten. Es dauerte, bis ein Foto-Motiv fotografiert und ausgewählt war, mit dem alle Beteiligten zufrieden waren. Die zwei Jungen auf der Postkarte, Sinan (17) und Saytan (17) haben großen Mut bewiesen, indem sie bereit sind, für eine breite Öffentlichkeit Farbe zu bekennen, auch auf das Risiko hin, dass andere Jugendliche sie jetzt kritisieren oder gar bedrohen. Zweimal wurden Jungen, die als Freunde der Mädchen den Mädchentreff besuchen, von selbsternannnten „Sittenwächtern“ zusammengeschlagen, die den Treff zu kontrollieren versuchen. Mädchen die einen Freund haben, gelten als Huren, während Jungen, die zu ihrer Freundin nett sind, als „Schwuchteln“ beschimpft werden.
In Zusammenarbeit mit Terre des Femmes sind seit April 20.000 Postkarten bundesweit verteilt worden.
Güner Y. Balci & Gabriele Heinemann
(Sommer 2005)